Wenn Unternehmer Merkmale zeigen, die bei einem potentiellen Käufer den Verdacht auf Cäsarenwahn hervorrufen können, dann ist dies oft ein Wertvernichter beim Unternehmensverkauf. Cäsarenwahn, was ist das und wie können sich Unternehmer beim Unternehmensverkauf vor diesem Wertvernichter schützen?

Cäsarenwahn bezeichnet eine spezifische Form des Größenwahns und der Paranoia und wird ursprünglich in Bezug auf römische Kaiser verwendet. Der Begriff soll dabei unterschiedliche Merkmale eines zur Wahrnehmung von Verantwortung ungeeigneten Anführers umschreiben, der – allem Anschein nach krankhaft – zum Schaden seines Landes agiert. In der Schrift Caligula des Friedensnobelpreisträgers Ludwig Quidde (1894) benannte dieser die wesentlichen Elemente des Cäsarenwahns wie folgt: „Glaube an die eigene Göttlichkeit“, „Verschwendungssucht“, „theatralischer Schein“, „Heißhunger nach militärischen Triumphen“ und eine „Neigung zum Verfolgungswahn“. Unternehmer sind in vielen Fällen seit 10 oder 20 Jahren oder noch länger „König in Ihrem Reich“ und müssen oft wenig Widerspruch dulden. Eine Situation, die in gewisser Weise der, der römischen Kaiser ähneln kann. Das kann ein Grund dafür sein, dass das Phänomen des Cäsarenwahns auch bei Unternehmern einen erfolgreichen Nährboden findet. Investoren prüfen daher jedes Investment genau auf Anzeichen möglichen Cäsarenwahns und nehmen einen deutlichen Wertabschlag vor, wenn sie meinen, im Rahmen des Prozesses zum Unternehmensverkauf entsprechende Anzeichen beim Unternehmer zu sehen.

So schnell kann ein Verdacht auf Cäsarenwahn aufkommen

Ich denke, es bedarf keiner weiteren Ausführungen, dass ein Unternehmer, der tatsächlich unter Cäsarenwahn leidet, ein wertvernichtender Faktor ist. Leider kann auch ein an sich bodenständiger und solider Unternehmer unter den kritischen Augen eines Investors schnell in den Verdacht geraten, an Cäsarenwahn zu leiden und so – ohne sich dessen Bewusst zu sein – Auslöser für einen Wertabschlag beim Unternehmensverkauf sein. Diesem Risiko sollte sich jeder Unternehmer Bewusst sein. Lassen Sie mich aus meiner Erfahrung ein Beispiel geben, wie bei Investoren der Verdacht auf möglicherweise vorliegenden Cäsarenwahn entstehen kann: Wenn dem potentiellen Investor im Rahmen des Unternehmensverkauf auf dem Papier eine sehr breite Managementstruktur gezeigt wird, sieht das zunächst gut aus. Breite Strukturen sind ein wertsteigernder Faktor, da sie Sicherheit versprechen und wenig Abhängigkeit von einzelnen Köpfen bedeuten! Wenn sich dann jedoch bei näherer Betrachtung, z. B. im Rahmen einer Due Diligence, herausstellt, dass in der Vergangenheit z. B. viele Mitarbeiter in Schlüsselpositionen oder in Kernbereichen das Unternehmen verlassen haben, kann das für den Investor ein Indiz dafür sein, dass Mitarbeiter in Wahrheit nur wenig Handlungsspielraum haben und die Strukturen – anders als auf dem Papier – in der Unternehmenspraxis eben nicht sehr breit sind, sondern eine starke Abhängigkeit vom Unternehmenslenker besteht bzw. dieser „alles kontrollieren“ will und autokratisch führt. Ein Zustand, der erfahrungsgemäß nicht von allen Mitarbeitern akzeptiert wird und daher in einer entsprechend hohen Fluktuationsquote abgelesen werden kann. An dieser Stelle des Prozesses beim Unternehmensverkauf kann sich der potentielle Investor das erste Mal fragen, ob der betreffende Unternehmer möglicherweise an Cäsarenwahn leidet.

Die 5 Anzeichen: Eine „Checkliste“ für Cäsarenwahn

Ist der Investor erst einmal auf der (vermeintlichen) Fährte, geht er beim Unternehmensverkauf die „Checkliste“ durch um seinen Verdacht zu widerlegen oder zu bestätigen. Die von Quidde beschriebenen Merkmale des Cäsarenwahns liefern dabei den Ausgangspunkt der Analyse. Hier einige Beispiele, wie Handlungsweisen des Unternehmers vom Investor interpretiert werden können:

  • Ist das Marketing des Unternehmens auf die Verbreitung der Dienstleistung oder des Produktes ausgerichtet oder dient es tendenziell eher dazu, den Unternehmer selbst in einem „heroischen Licht“ darzustellen um seinen – wie Quidde sich ausdrückt – „Glauben an die eigene Göttlichkeit“ zu fördern?
  • Ist das Firmengebäude und der Außenauftritt des Unternehmens zweckmäßig und angemessen oder wird bewusst überzeichnet, z. B. durch übertriebene Leuchtreklame oder unzählige Fahnen am Firmengebäude, die eher an eine gut in Szene gesetzte Kathedrale erinnern, als an ein funktional und dennoch angemessenes Unternehmensgebäude. Oder gibt es pompöse Feiern mit fragwürdigen Inszenierungen des Unternehmers in einem (im Verhältnis zum Unternehmen) übersteigerten Rahmen wodurch ggf. der „theatralischer Schein“ zum Ausdruck kommt, der laut Quidde ein Merkmal des Cäsarenwahns ist?
  • Besteht der Fuhrpark des Unternehmens aus normalen Autos gängiger Marken und der Unternehmenslenker sticht beispielsweise durch einen extrovertierter Ferrari oder ein anderes Luxusgefährt heraus oder residiert der Unternehmer in einem völlig überdimensionierten Büro und drückt damit die von Quidde beschriebene und durch Cäsarenwahn begründete „Verschwendungssucht“ aus?
  • Gibt es eine Vielzahl von rechtlichen Auseinandersetzungen mit Kunden, Lieferanten, Subunternehmern oder (ehemaligen) Mitarbeitern, die bei genauer Betrachtung wirtschaftlich wenig Sinn ergeben und die von Quidde beschriebene „Kriegslust“ (Krieg führen um des Krieges Willen und zu nahezu jedem Preis und nicht als Investition um ein lohnendes Ziel zu erreichen) befriedigen sollen?
  • Existieren tatsächlich breite Strukturen, bei denen eine Vielzahl – insbesondere langjähriger – Manager auch tatsächlich einen großen faktischen Handlungsspielraum haben, Prokura besitzen oder mindestens weitreichende Vollmachten, z. B. für die Einstellung und Entlassung von Personal haben und damit echte leitende Angestellte sind oder gibt es von alledem nichts oder nur wenig da die Organisation einer Art „Verfolgungswahn“, wie Quidde es nennt, unterliegt und Niemandem außer dem Unternehmenslenker vertraut wird?

Je mehr dieser (vermeintlichen) Anhaltspunkte vorliegen, je wahrscheinlicher ist es, dass ein Investor von Cäsarenwahn ausgeht.

Die praktischen Folgen des (vermuteten) Cäsarenwahns beim Unternehmensverkauf

Was heißt das dann konkret? Der Investor sieht das Investment in ein solches Unternehmen als großes Risiko. Zum einen ist nicht klar, was passiert, wenn der Gründer ausscheiden sollte. Der Investor stellt sich dann die Frage, zu was eine Organisation alleine fähig ist, die oft mehrere Dekaden lang unter der Kontrolle eines „absolut herrschenden Patriarchen“ gestanden hat. Und auch für den Fall dass der Gründer nicht ausscheidet, drängt sich die Frage auf wie konstruktiv die Zusammenarbeit mit einem ggf. unter Cäsarenwahn leidendem Gründer sein kann bzw. ob diese überhaupt möglich ist.
Die Konsequenz ist, dass ein Investor in ein solches Unternehmen in der Regel nur investiert, wenn er z. B. selber über ein eigenes Management mit entsprechendem Know-how verfügt und den Unternehmenslenker kurzfristig ersetzen könnte, sofern dies erforderlich sein sollte. Viele Finanzinvestoren (Private Equity) verfügen nicht über ein solches Management. Das schränkt den Kreis der potentiellen Käufer stark ein und drückt somit den Kaufpreis und senkt damit die Werthaltigkeit eines Unternehmens massiv, selbst wenn die Unternehmenszahlen für sich genommen gut sind. Auch kann sich ein Investor veranlasst sehen, einen großen Teil des Kaufpreises als s. g. Earn-Out, also als nachträglichen Kaufpreis, auszuloben. Die bei Unternehmensverkäufern oft so wichtige Komponente der „Cash up front“-Quote, also des Anteils des Kaufpreises, der sofort nach Übertragung der Anteile bezahlt wird, sinkt so stark ab. Dadurch kann der Unternehmer zunächst nur einen Teil des eigentlichen Unternehmenswertes realisieren und trägt auch in Zukunft einen erheblichen Teil des Risikos mit (was oft nicht im Sinne des Unternehmers ist, der ja mit dem Unternehmensverkauf in der Regel einen großen Teil seines Vermögens hinter die s. g. „Brandmauer“ bringen möchte).

Beim Unternehmensverkauf muss jeder Anschein von Cäsarenwahn vermieden werden!

Daher sollte sich jeder Unternehmer kritisch fragen, ob er sich auch nur den Anschein eines theoretisch möglichen Cäsarenwahns leisten kann und will, wenn er einen Unternehmensverkauf in Angriff nehmen möchte. Dieser Anschein kann einen erheblichen Wertverlust beim Unternehmensverkauf (30% sind durchaus denkbar) bedeuten! Jeder professionelle Investor wird beim Investment in inhabergeführte Unternehmen die Möglichkeit eines bestehenden Cäsarenwahns mit ins Kalkül einbeziehen und dies bei der Erwerbsstrategie und der Kaufpreiskalkulation entsprechend berücksichtigen. Wer eine breite Käuferschicht ansprechen möchte bzw. sein Unternehmen so positionieren will, dass es gut verkauft werden kann und ein hohen Kaufpreis (insbesondere „Cash-up-front“) möglich ist, sollte darauf achten, keine Anhaltspunkte zu liefern, die auf Cäsarenwahn hindeuten könnten. Sofern beim Investor nur der leiseste Verdacht besteht, dann ist das „Kind schon fast in den Brunnen gefallen“, da jeder weiß: Wer sucht wird finden! Und jeder Investor sucht naturgemäß nach Risiken im Investment. Das ärgerliche kann an dieser Stelle sein: Auch wenn es ggf. gar nichts zu finden gibt, da der potentielle Investor aufgrund einiger Indizien auf der falschen Fährte ist, findet er Anhaltspunkte die für ihn zu einem Verdacht werden und somit zu Wertabschlägen führen. Bei einer guten Vorbereitung auf einen Unternehmensverkauf sollte daher auch das Thema Cäsarenwahn berücksichtigt werden und der Unternehmer – auch wenn das für diesen nicht selten heißt, sich von liebgewonnenen Traditionen zu verabschieden – mögliche Angriffspunkte vermeiden, so dass schon vor Eintritt in den Verkaufsprozess alles „entschärft“ und das Unternehmen entsprechend werthaltig am Markt platziert werden kann.

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About the Author: 

Ansgar M. Nagel ist erfolgreicher Investor und Unternehmerberater.
Als Unternehmerberater engagiert er sich als Partner von Unternehmern und Unternehmen bei der erfolgreichen Umsetzung von Unternehmensverkäufen. Darüber hinaus begleitet er bei Optimierungen im Bereich Führung, Vertrieb, und Ökonomie.
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