In einer losen Serie möchte ich mich dem Thema „Bilanzkiller“ widmen und aufzeigen, wie schnell es zur Nichtigkeit einer Bilanz kommen kann, welche Folgen damit verbunden sind und welche Konsequenzen zu erwarten sind. Das Thema Bilanz mag dabei ein sehr trockenes sein, dennoch empfehle ich jedem Unternehmer beim Unternehmensverkauf auf eine saubere Bilanz zu achte n und in diese Thematik einzusteigen. Die Bilanz ist für den Käufer nach wie vor ein wesentliches Bewertungskriterium. Warum das so ist, ist schnell erklärt: Beim Unternehmensverkauf sitzen auf Käufer- und Verkäuferseite in der Regel viele „Zahlenmenschen“ zusammen. Der Albtraum für die „Zahlenmenschen“ auf Käuferseite ist es, wenn in der Due Diligence herauskommt, dass die Bilanz des zum Verkauf stehenden Unternehmens ggf. nichtig (Nichtigkeit der Bilanz nach § 256 AktG.) ist. Damit fehlt dann jede Bewertungsgrundlage! Ein Scheitern des Unternehmensverkaufs oder zumindest ein deutlicher Wertabschlag bei der Unternehmensbewertung ist dann sehr wahrscheinlich. Im schlimmsten Fall drohen in der weiteren Folge sogar strafrechtliche Konsequenzen für die Organe des betreffenden Unternehmens (Bilanzbetrug nach § 331 HGB). Ein oft unterschätztes Risiko in der Bilanz sind fehlende Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten, die sehr häufig gebildet werden müssen, wenn im Unternehmen Freiberufler eingesetzt werden. Diese fehlenden Rückstellungen können dann schnell die Nichtigkeit der Bilanz zur Folge haben. Aber der Reihe nach: 

Lassen Sie uns zunächst „vorne“ beginnen: Die Gründe, die zur Nichtigkeit der Bilanz führen können, regelt § 256 AktG. Nach einschlägiger Meinung der rechtlichen Literatur sowie der Rechtssprechung gelten diese Regelungen nicht nur für Aktiengesellschaften sondern auch für GmbHs und finden damit Anwendung auf zwei sehr häufig verwendete Rechtsformen, die der AG und der GmbH. Die Regelungen des § 256 Abs. 4 Nr. 1 und 2 besagen, dass es zu einer Nichtigkeit der Bilanz führt, wenn eine Unter- oder Überbewertung des Unternehmens erfolgt ist. Bei fehlenden Rückstellungen kommt es unmittelbar zu einer Überbewertung des Unternehmens, da Zahlungsverpflichtungen in der Bilanz nicht berücksichtigt worden sind. Gerade diese Überbewertung einer Gesellschaft ist besonders kritisch. Die Folgen sind weitreichend: Die Bilanz muss dann von Grund auf neu erstellt werden und kann nicht einfach nur – z. B. im Folgejahr – korrigiert werden.

Warum ist eine Überbewertung so kritisch und führt schnell zur Nichtigkeit der Bilanz?

Dieser Umstand folgt aus der Idee des Gesetzgebers, auf Basis der Unternehmensbilanzen eine Transparenz für den Geschäftsverkehr zu ermöglichen. Eine in der Bilanz als überbewertetet dargestellte Gesellschaft ist in Wahrheit ein wirtschaftlich schlechterer Geschäftspartner, als dies die Bilanz vermuten lässt. Diese „Beschönigung“ ist nicht im Sinne des Gesetzgebers, der möchte, dass jedem Geschäftspartner ein realistisches Bild seines jeweiligen „Gegenüber“ gezeigt wird. Daher wird ein solches Verhalten durch den Gesetzgeber sanktioniert. Eine solche Überbewertung führt in Folge dessen bei gerichtlicher Überprüfung schnell zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses.

Wann müssen für eingesetzte Freiberufler in der Bilanz Rückstellungen gebildet werden?

Rückstellungen müssen nach § 253 Abs. 1 S. 2 HGB in der Höhe gebildet werden, die nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung dem notwendigen Erfüllungsbetrag entsprechen. Beim Einsatz von Freiberuflern könnte eine Inanspruchnahme des Unternehmens in Bezug auf Nachzahlung von Sozialabgaben sowie Strafzahlungen entstehen. Nun reicht dieses theoretische Risiko natürlich nicht aus, um Rückstellungen erforderlich zu machen. Ergibt jedoch eine konkrete Einzelfallprüfung von im Unternehmen eingesetzten Freiberuflern, z. B. in Folge eines eingesetzten Compliance Systems, welches regelmäßige Prüfungen von Vertragsverhältnissen mit Freiberuflern vorsieht, dass diese auch als versicherungspflichtige Angestellte gewertet werden könnten, sind Rückstellungen zu bilden. Das „könnten“ muss hier betont werden. Allein die Möglichkeit, dass eine solche Einschätzung getroffen werden könnte, reicht aus. Diese Pflicht zur Bildung von Rückstellungen folgt aus dem zweigliedrigen Prüfverfahren, welches von Wirtschaftsprüfern bei der Erstellung der Bilanz anzusetzen ist: Im ersten Schritt muss geprüft werden, ob es das Risiko der Inanspruchnahme nach vernünftigem Ermessen überhaupt gibt. Sofern Freiberufler eingesetzt werden und es bei einer konkreten Einzelfallprüfung Ansatzpunkte für den Verdacht gibt, dass diese sozialversicherungspflichtig sein könnten, ist dieses erste Prüfkriterium bereits erfüllt. Der zweite Schritt, der erforderlich ist, um festzustellen, ob auch tatsächlich Rückstellungen zu bilden sind, sieht vor, dass es notwendig ist, dass nicht „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ ausgeschlossen werden kann, dass das Schadenereignis auch tatsächlich eintritt. Vereinfacht ausgedrückt ist damit gemeint, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass man „erwischt“ wird. Da es immer die Gefahr gibt, dass z. B. im Rahmen von Prüfungen der Behörden, z. B. der Sozialversicherungsaußenprüfung der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV Bund) oder der Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Zoll, ein Fall entdeckt wird, muss festgehalten werden, dass auch dieser zweite Prüfschritt die Erfordernis von Rückstellungen zum Ergebnis hat. Das heißt Zusammenfassend: Wenn bei einzelnen im Unternehmen eingesetzten Freiberuflern auch nur der Verdacht besteht, dass diese sozialversicherungspflichtig sein könnten, sind Rückstellungen für Sozialabgaben und Strafzahlungen zu bilden! Das gilt bei aktuell eingesetzten Freiberuflern, genauso wie für solche, die in den letzten 30 Jahren eingesetzt worden sind. Dies liegt daran, dass die gesetzliche Verjährungsfrist für vorsätzlich vorenthaltene Sozialabgaben bei 30 Jahren liegt. Bei Fahrlässigkeit reduziert sich die Verjährung auf 4 Jahre. Die Rechtsprechung tendiert jedoch aus meiner Beobachtung heraus dazu, von Vorsatz auszugehen, so dass alle Freiberufler betroffen sind, die in den letzten 30 Jahren im Unternehmen eingesetzt wurden. So kann es bei Unternehmen die eine Vielzahl von Freiberuflern einsetzen oder in der Vergangenheit eingesetzt haben sehr schnell zur Nichtigkeit der Bilanz wegen fehlender Rückstellungen kommen. Und damit natürlich auch zu einem deutlich reduzierten Unternehmensergebnis bis hin zu einem negativen Ergebnis.

Gibt es eine Lösung um die Bilanz zu „retten“?

Problem erkannt – Problem gebannt, sagt der Volksmund so schön. Wie verhält es sich aber hier? Gibt es eine echte Lösung für das Thema? Eines darf festgehalten werden: Im Rahmen einer seriösen Due Diligence wird eine vernünftige Einzelfallprüfung von freiberuflichen Beschäftigungsverhältnissen erfolgen. Insbesondere dann, wenn das Unternehmen sehr viele Freiberufler beschäftigt und gar keine Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten gebildet worden sind. Hier drängt sich schon bei erster Betrachtung der Verdacht der „unsauberen“ Aufstellung einer Bilanz geradezu auf (um nicht gleich das böse Wort „Nichtigkeit“ zu verwenden). Wie gesagt: Dies gilt nur, wenn sehr viele, also hunderte Freiberufler beschäftigt werden. In einem solchen Fall kann ich daher nur empfehlen „mit offenem Visier“ zu kämpfen und eine saubere Bilanz aufzustellen. Es ist dann oft besser, einmal „in den sauren Apfel zu beißen“ und Rückstellungen in angemessenem Umfang aufzunehmen, als zu versuchen das – sehr offensichtliche – Thema „totzuschweigen“. Ein solches Vorgehen schafft in aller Regel Vertrauen im Due Diligence Prozess. Und Vertrauen ist  die Grundlage für solide und erfolgreiche Verkaufsgespräche. In jedem Fall gilt jedoch der Umkehrschluss: Wenn das Thema fehlender Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten im Rahmen einer Due Diligence „auffliegt“, dann ist jedes Vertrauen zerstört. Jeder vernünftige Käufer fragt sich dann, welche „Leiche noch im Keller liegt“, die er nur noch nicht gefunden hat? Natürlich ist eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten ein wertmindernder Faktor. Keine Frage! Diese Rückstellungen jedoch nicht vorzunehmen, würde jedoch bedeuten, auf die „Dummheit“ des potentiellen Käufers zu vertrauen. Eine „Taktik“, die ich nicht empfehlen kann. Und eine, die obendrein strafrechtlich verfolgt werden kann. Das vorsätzliche Aufstellen einer falschen Bilanz ist nämlich – wie bereits oben erwähnt – nach § 331 HGB strafbar und wird mit Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren geahndet. Dieses Thema zeigt einmal mehr, dass es absolut empfehlenswert ist, sich vor einem Unternehmensverkauf gut beraten zu lassen. Ein erfahrener M&A-Coach zeigt solche und andere Fallstricke im Vorfeld auf und verhindert so unangenehme „Bauchlandungen“. Daher empfehle ich jedem Unternehmer beim Unternehmensverkauf, auf die Erfahrung eines M&A-Coaches zu vertrauen. Diese Investition zahlt sich erfahrungsgemäß zigfach aus. Eine echte „Lösung“ gibt es also nicht. Es gibt jedoch einen „best praktice“ Ansatz, der beim Unternehmensverkauf das schlimmste verhindert.

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About the Author: 

Ansgar M. Nagel ist erfolgreicher Investor und Unternehmerberater.
Als Unternehmerberater engagiert er sich als Partner von Unternehmern und Unternehmen bei der erfolgreichen Umsetzung von Unternehmensverkäufen. Darüber hinaus begleitet er bei Optimierungen im Bereich Führung, Vertrieb, und Ökonomie.
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